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Auch Casanova, der weltberühmte Abenteurer und
Liebhaber erwies Bonn seine Referenz - er hat es nicht
bereut, waren doch die Ereignisse durchaus dazu angetan,
ihn für die kurfürstliche Residenzstadt
Bonn einzunehmen. So speist er mit dem Kurfürsten
Clemens August und amüsiert sich bei einem Karnevalsball
in der Residenz, vor allem aber saniert er sich finanziell
an einem einzigen Abend, indem er die Bank sprengt:
"Der Aufenthalt von zweiundeinhalb Monaten in
Köln verminderte meine Barschaft nicht, obwohl
ich jedes mal, wenn ich mich am Spiel beteiligen musste,
verlor. Der eine Abend in Bonn ersetzte alle Verluste."
Am Karnevalsdienstag 1760 nimmt Casanova an einem
Maskenball in der Kurfürstlichen Residenz teil,
zu dem ihn die schöne Kölner Bürgermeisters
Gattin einlud, die er bei seinem zweimonatigen Kölnaufenthalt
(Februar bis März) kennen gelernt hatte. Doch
tut er so, als ob er nicht kommen könne. Incognito
begibt er sich als Domino verkleidet in das Schloss,
sprengt die Bank, schleicht sich unbemerkt davon,
um alsbald in einem zweiten Dominokostüm zum
Ball wiederaufzutauchen. "Am Tag, an dem man
den Maskenball gab, fuhr ich beim Anbruch der Dämmerung
in einem Postwagen ... ab. Ich hatte einen Koffer
und zwei Dominos mitgenommen. ... In Bonn mietete
ich ein Zimmer, wo ich mich maskierte und wo ich meinen
anderen Domino ... zurückließ. Ich ...
ließ mich in einer Sänfte zum Hof bringen.
Von allen unerkannt, konnte ich sämtliche Damen
aus Köln sowie die schöne Madame X [die
Kölner Bürgermeisters Gattin] ohne eine
Maske vor dem Gesicht sehen. Sie saß an einem
Pharaotisch und setzte einige Dukaten. ... Ich stellte
mich neben meine Dame ...". So beginnt Casanova
seinen Bericht über die Bonner Erlebnisse.
Die
Gesellschaft mutmaßt auch bald den Venezianer
hinter diesem Bravourstück - und als er beim
Contredanse die Maske abnehmen muss, erkennt ihn die
schöne Kölnerin. Lachend teilt man ihm mit,
dass man ihm bereits auf die Schliche gekommen sei.
"Der Kurfürst weiß alles, und, um
Sie für dieses Schelmenstück zu bestrafen,
hat er mir aufgetragen, Ihnen mitzuteilen, dass Sie
morgen nicht abreisen werden.
Will er mich verhaften lassen? Warum nicht, wenn Sie
sich weigern, morgen mit ihm zu speisen. Ich werde
gehorchen. Wo ist er denn? Stellen Sie mich ihm doch
zuerst vor." Nach der äußerst zuvorkommenden
Begrüßung durch Clemens August speist man
zusammen zum Souper und nimmt anschließend noch
an einer kleinen Maskerade teil, bei der sich alle
als Bauern verkleiden. Die Kostüme stammen aus
dem Fundus des Kurfürsten. "Der kleine Ball
des Kurfürsten war sehr unterhaltsam. ... Am
Ende des zwölften oder dreizehnten Tanzes bat
ich, ganz außer Atem, um Erbarmen. In einem
- ich weiß nicht mehr welchem - Tanz gibt man
der Bäuerin, die man gerade erwischt, einen Kuß.
Ich tat mir dabei keinen Zwang an: immer wieder erwischte
ich Madame X, und der Bauer Kurfürst rief: Bravo!
Bravo! ..." Damit nicht genug, überredet
ihn die Kölnerin dazu, am nächsten Tag ein
großes Frühstück im Brühler Schloss
(wahrscheinlich Falkenlust) zu veranstalten - das
denn auch endlich zu einem Tête-a-tête
mit der Dame führt. Die Bonner Episoden wie das
meiste aus Casanovas bewegtem Leben kennen wir aus
seinen Memoiren, die er am Ende seines Lebens im böhmischen
Dux schrieb.
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Casanova,
bekanntlich Venezianer von Geburt, war der Sohn eines
Schauspielerpaares. Zunächst trat er in den geistlichen
Stand, studierte in Padua Theologie und Jura und erwarb
den Doktor beider Rechte. Sein durch Liebes- und andere
Abenteuer gewürztes Nomadenleben führt ihn
an zahlreiche Höfe und in viele europäische
Städte, immer wieder von Aufenthalten in der Heimatstadt
unterbrochen. So weilte er an den Höfen Friedrichs
II., Josephs II. und Katharinas II. Ständig in
irgendwelche Händel verstrickt, bereist er in wechselnden
Diensten und politischen Missionen, deren unrühmlichste
die Tätigkeit als kleiner Spitzel im Auftrage der
venezianischen Polizei war (1774), ganz Europa bis hin
in die Türkei. 1753 begibt er sich auf ausgedehnte
Reisen, wird 1755 wegen seines lockeren Lebenswandels
und Atheismus in die berüchtigten venezianischen
Bleikammern geworfen, aus denen er sich ein Jahr später
durch die berühmt gewordene Flucht befreite, von
der er auch Clemens August ausführlich erzählen
musste. 1757 ist er Lotteriedirektor in Paris, es folgen
Reisen nach Polen und Spanien, immer wieder muss er
fliehen. 1763 bietet ihm Friedrich II. eine Erzieherstelle
an einem Kadettenkorps an, die der rastlose Geist ablehnt,
obwohl sie ihm Sicherheit und ein festes Einkommen gewährleistet
hätte. 1774 kehrt er ein letztes Mal nach Venedig
zurück, wo er zunächst als Theaterimpresario
ein Auskommen zu finden hoffte, doch verwies man ihn
wegen einer seiner angriffslustigen Satiren endgültig
aus der Stadt. Als Reichsgraf Josef von Waldstein Casanova
1785 das Angebot macht, auf Schloss Dux seine Bibliothek
zu leiten, lehnt er nicht ab. Der alternde Bonvivant
- ohne finanzielle Absicherung, sich des Verlusts seiner
Ausstrahlung und seiner unverwüstlichen Gesundheit
sehr wohl bewusst - nimmt Abschied von einem vollen
Leben, um sich in der böhmischen Abgeschiedenheit
der Literatur zuzuwenden. Der Mann, der vier Jahrzehnte
Europa von sich reden machte, widmet sich nun mit Eifer
seinem belletristischen und wissenschaftlichen Schaffen.
Zwischen 1791-98 arbeitet er an der Niederschrift seiner
Memoiren (Histoire de ma vie, ersch. 1825-29, vollständig
1960-62; dt. erstmals 1822-28, vollständig 1964-67).
Immer unleidlicher werdend und seine Umgebung drangsalierend,
stirbt er nach 14jähriger Gastfreundschaft auf
Schloss Dux in den Armen seines Wohltäters und
des Fürsten von Ligne's, der Casanovas literarischer
Vertrauensmann gewesen war.
Neben seinen weltberühmten Memoiren, die die unzähligen
Abenteuer und Erlebnisse des lebensgierigen Venezianers
erzählen und für uns von unschätzbarem
kulturhistorischen Wert sind, hat Casanova aber auch
Bühnenstücke, historische, literarische und
mathematische Schriften, glänzende Satiren, sowie
einen utopischen Roman geschrieben und eine dreibändige,
unvollendte gebliebene Übersetzung der Ilias (1775)
in Angriff genommen. Casanovas utopischer Roman L' Icosaméron
ou Histoire d' Edouard et d'Elisabeth, 1788, (dt. Eduard
und Elisabeth oder Die Reise in das Innere des Erdballs,
3 Bde, 1968/69, auch unter dem Titel E. u. E. bei den
Megamikren, 1922) weist ihn als einen Vorläufer
von Jules Verne und H.G. Wells aus. Sein Schrifttum
enthält durchaus aufklärerisches Gedankengut,
doch äußert er sich kaum zu politischen oder
sozialen Fragen, kritisiert aber als echtes Kind des
Ancien régime die Französische Revolution.
Zitat aus Stadtmuseum Bonn Casanova in Bonn
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