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Stets
war Chillida so unbeirrbar und kantig gewesen wie
seine Kunst. Gern mokierte er sich über das Glibschige
und Formbare von Ton, denn ihm ging es um das Dauerhafte,
und er liebte den Kampf mit dem Stahl, er wollte den
Widerstand der Dinge spüren und spürbar
machen. Seine Skulpturen haben nichts Leichtes, nichts
Befreites, sie sind unverrückbar und erdverbunden
- und auch darin spiegelt sich Chillidas Leben. Nach
wenigen Jahren in Paris kehrte er für immer in
seine Heimat San Sebastián zurück und
ließ sich in einer Dorfschmiede das glühende
Handwerk beibringen, das zur Grundlage seiner Kunst
werden sollte. Er begriff sich als Volkskünstler,
als baskischer Patriot, der seinen Plastiken raunende
Namen gab wie Abesti gogora (Großes Zittern)
oder Ikaraundi (Rauhes Lied). Dennoch stieg er auf
in die Ruhmessphären der internationalen Kunstwelt,
viermal durfte er an der Documenta teilnehmen, und
schon 1958 hatte man ihm den bedeutenden Skulpturenpreis
der Biennale in Venedig verliehen. Chillida war Lokalkünstler
und Weltenbürger zugleich, war ganz dem Ort verbunden
und doch von universellem Verlangen getrieben. Wie
keinem anderen Bildhauer des 20. Jahrhunderts gelang
es ihm, seine Romantik, gespeist von Novalis ebenso
wie von Heidegger, in einem hoch abstrakten Vokabular
aufzuheben: Seine Skulpturen sind ultramoderne Urviecher
der Kunst, sie demonstrieren eine technisch hoch komplexe
Einfachheit, eine Gegenwart, die im Vorzeitigen wurzelt.
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Aus diesem Pathos der Gegensätze leben Chillidas
mächtige Körper, immer wieder variieren sie
das Motiv des Festhaltens und Befreiens, des Öffnens
und Einfangens. Besonders eindrücklich lässt
sich dies in San Sebastián erleben: Just dort,
wo der Atlantik auf die steilen Uferklippen brandet,
wo die Elemente sich aneinander reiben, hat Chillida
drei rostige Zangenwesen in den Fels gerammt, sie greifen
aus in den Horizont, möchten halten, was nicht
zu halten ist. Für ihn war dies der ideale Platz,
er wollte seine Skulpturen nicht einkerkern in Museen,
er wollte sie dramatisieren, damit sie zu Kunstorten
werden, an denen sich das Grenzenlose am Begrenzten
bricht. Auch Chillidas Fangarme, die er für das
Kanzleramt in Berlin entwarf, sollten einen solchen
Ort markieren. Doch anders als einst die sanften Riesen
von Henry Moore in Bonn sind Chillidas Schnappzangen
nicht zur Chiffre der Macht geworden. Es fehlt ihnen
an Ausdruck, an Lebendigkeit, um sich gegen die Architektur
des Kanzleramts behaupten zu können. Wer die Fülle
und Kraft dieses Bildhauers, auch die überraschende
Sanftmut vieler Spätwerke erfahren will, der muss
schon nach San Sebastián aufbrechen, wo sich
Chillida vor zwei Jahren ein Refugium seiner Kunst eingerichtet
hat, einen Landschaftspark, in dem seine Skulpturen
ihren Ort haben - und nun auch er seine letzte Ruhe
finden soll. Am Montagabend ist er im Alter von 78 Jahren
gestorben.
Zitat aus der Zeit von Hanno Rauterberg
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