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151 x Rheinland – Attraktionen, Sehenswürdigkeiten und Highlights – Architektur, Kulturdenkmäler und Natur - Schlösser, Museen und 4 x Weltkulturerbe am Rhein zwischen Schloss Bensberg und Bingen mit Köln, Bonn, Siebengebirge, Eifel, Ahr und Nürburgring.


   


Freiheitsstatue
© Bild - Thomas Baumgärtel



© Orth-Haus

Freiheitsstatue

Thomas Baumgärtel als Deutsche Freiheitsstatue...

   

 

"Deutsche Freiheitsstatue“, Performance auf der Domplatte, Köln Mit seinen Übersprühungen diversifiziert Thomas Baumgärtel die Kunstgeschichte im Geist von Marcel Duchamp Der Stecher nennt Thomas Baumgärtel ein manipuliertes Ölgemälde. Es misst 78 mal 108,5 Zentimeter, besitzt einen goldenen Rahmen und zeigt eine unbekleidete Schöne mit offenen Haaren und glückseligem Gesichtsausdruck, die sich auf einem weißen Laken rekelt. Ihre rechte Hand ruht auf ihrem rechten Oberschenkel, während sie die erhobene Linke einem Vogel darbietet. Das Laken ist so drapiert, dass es ihre Scham bedeckt. Am Fußende fällt das Bild aus Raum und Zeit. Die Aktdarstellung verliert an zentraler Bedeutung, die Komposition bekommt eine zweite Ebene. Ein Fremdkörper macht sich breit. Im Stil einer Comicfigur greift eine Art züngelnder Bananenlurch die Liegende an. Thomas Baumgärtel hat ihn plakativ an den rechten Bildrand gesprüht. Im Laufschritt steuert das poussierliche Geschöpf auf sein Ziel zu. Ganz so, als sei es der griechische Göttervater selbst – in tierischer Gestalt – , der da die Maid überrascht. Leda und der Schwan mögen das Vorbild gewesen sein für diese intime Szene mit kalkuliertem Stilbruch. Frevel, Frechheit, Firlefanz? Völlig ungeniert setzt sich Thomas Baumgärtel in ein fremdes Nest. „Der Stecher“ ist kein Einzelfall. Er zählt zur Werkgruppe „Die Alten Meister und die Banane“: Übersprühungen, mit denen der Bananensprayer vor zehn Jahren begann. Grundsätzlich besitzen sie eine malerische Grundlage, die zunächst mit einer anderen Autorschaft als der seinen verbunden ist. Kontinuierlich bananisiert Baumgärtel die Arbeit von Kollegen. Im Falle der Übersprühungen sind deren Namen jedoch unbekannt. Hinlänglich im kollektiven Gedächtnis verankert sind dagegen die Motive: der röhrende Hirsch, der Sonnenaufgang im Gebirge, das Seestück mit Segelschiff. Zielgerichtet zwingt Baumgärtel diesen gefundenen, weitgehend wertlosen Bildern seine Bananenfiguren auf. Parallel dazu betrachtet er jedoch auch berühmte Bilder als Verfügungsmasse und Werk-Stoff. Weit trieb er bereits deren Verfremdung mittels Spraybananen, paraphrasierte Arcimboldo oder Picasso. Zentimetergroße Schablonen dienten ihm dazu, ikonisierte Motive zu verpoppen. Immer wieder – das ist Teil seiner langfristigen Strategie – macht Thomas Baumgärtel klar, dass in seinem „Fruitopia“ noch viele Früchtchen Platz haben. Im Rahmen der Werkgruppe „Die Alten Meister und die Banane“ bedient er sich auf eine Weise kunsthistorischer Gegebenheiten, die seinem fruchtigen ‘uvre eine bittersüße Facette verleiht. Offenkundig hat ihn die Nostalgiewelle erreicht und die Lust an greller Kolportage nicht verlassen. Mit der Banane rückt Baumgärtel spitzbübisch Alten Meistern auf den Leib, die streng genommen keine sind. Im Zeichen seiner symbolischen Signatur eignet er sich systematisch bereits existierende, aber nicht weiter bemerkenswerte Bilder an: Ölgemälde und Reproduktionen, die er auf Flohmärkten oder in Trödelläden abstaubt. Nicht, um sie aufzuhängen, sondern um sie aufzufrischen. In einem kühnen Akt der Appropriation überführt Thomas Baumgärtel das Abgelegte in die herrschende Alltagskultur und macht es verfügbar für den aktuellen Diskurs. Mit einem Landschaftsgemälde: „In den Tiroler Bergen“, begann er seine Verfremdungsaktion: „1994 habe ich erstmalig eine Reproduktion einer typischen Gebirgslandschaft, wie sie bayerische Haushalte zum Teil noch heute überm Sofa hängen haben, mit einer Banane übersprüht, weil ich dachte, das Bild ist so schrecklich, damit kann man sowieso nichts mehr anfangen.“(1) In der Folge besprühte Baumgärtel zunehmend Originale mit Bananen. In den Grauzonen der Kunstproduktion – zwischen Kopisten- und Fälscherware –, und staubigen Arsenalen, wo Hausrat von vorgestern vermodert, hat er herumgeschnüffelt und seine Funde mit poppigen Eingriffen für die zeitgenössische Anschauung aufbereitet. Insbesondere ruft ihn der Berg. Ölgemälden, die Gebirgslandschaften zeigen: ein klassisches Motiv der Landschaftsmalerei, verleiht er eine exotische Note, indem er etwa einen Berg Bananen hineinmogelt – oder ein ins bananige gewendetes Logo von McDonald’s. Deshalb ist Baumgärtel noch nicht antiromantisch. Tatsächlich verhandelt er Aspekte stimmungsbetonter Malerei neu. Die Wirkung solcher Anverwandlung ist verblüffend. In dem Moment, in dem die übersprühten Werke im Ausstellungszusammenhang rezipiert werden, bekommt der Akt des humoristischen Facelifts eine Legitimation. Mit einem Mal erfährt ein Bild, das zuvor nicht beachtet worden wäre, erhöhte Aufmerksamkeit. Im Sinne von Duchamp, der festhielt „dass ein Kunstwerk erst existiert, wenn der Betrachter es angeschaut hat,“ versetzt Baumgärtel Nichtbilder gleichsam in einen neuen Aggregatzustand, verhilft ihnen zu einer Existenz als Kunstwerk. Indem er Vorgefundenes bearbeitet, erschließt er dem Fundstück eine neue Rezeptionsebene. Die Übersprühungen sind planvolle Überhöhungen. Die Banane befruchtet buchstäblich die Komposition. Für die Kunstgeschichte zu-nächst verlorene Bilder kommen heraus aus ihrem Dunstkreis. Die phantasievollen Variationen der gelben Spraybananen, die sich an so vielen Museen und Galerien befinden und als Echtheitszertifikat gewertet werden, verschaffen den anonymen Werken eine Aura. Sie wird wesentlich konstituiert durch das Moment der Ironie. Der Bananensprayer jongliert damit versiert. Er war von Anfang an ein Provokateur mit clownesken Zügen. Seine Werkzeuge sind die optische Irritation und der visuelle Witz. Um damit nach außen zu dringen, hat Baumgärtel die Ästhetik des Alltags studiert sowie aus dem Arsenal von Reklamefeldzügen geschöpft. Er reflektiert die Strategien der Konsumgüterindustrie. Die Werbung spült ins kollektive Bewusstsein Konsumartikel, respektive deren Bilder, solange, bis keiner mehr an ihm vorbeikommt. Baumgärtels Banane ist im Grunde nichts anderes als eine Niveadose oder eine Ray Ban-Brille. Man kann leicht leben ohne Nivea, ohne Ray Ban und ohne Bananen. Erst wenn man die Dinge an jeder Ecke sieht, will man sie haben. Wenn mehr als 4000 Kunstinstitutionen eine Spraybanane am Revers tragen, ist klar, dass die Begehrlichkeit wächst. Baumgärtels Kunst ist auch eine lakonische Antwort auf die Mechanismen der Markengesellschaft. Er beschäftigt sich mit Fragen von Mehr- und Marktwert.

 

 

Nicht von ungefähr hat er seine Übersprühungen – auf Einladung der Galerie Brunnhofer – anlässlich der Linzer Veranstaltungsreihe „EchtFalsch“ erstmals öffentlich als Werkkomplex präsentiert. Dort ging es um Kunst als handelbare Ware sowie die Voraussetzungen dafür. Es ging um Praktiken der Konsumgüter-, Werbe- und Medienindustrie, um Markenverständnis und auch um Markenpiraterie. Baumgärtels Werkgruppe berührt einen erweiterten Kunstdiskurs. Man kann die Übersprühungen als Teil einer Werbestrategie für eine inzwischen gut aufgestellte Marke sehen. Der Markenname: Thomas Baumgärtel. Der Mann selbst ist seine Kunst. Nicht erst dann, wenn er im Bananenanzug auftritt, behauptet er die Einheit von Autor und ‘uvre. Baumgärtel ist sein eigener Kunstgegenstand aus dem Geist des Graffiti. Als solcher befriedigt er viele Bedürfnisse. Der Bananensprayer ist ein subtiler Spötter, der dem Kunstbetrieb mit seinem kultischen Tun und seiner komischen Sendung gleichermaßen den Spiegel vorhält. Ganz gleich, ob es Museumsmauern oder Politikerporträts sind, die Baumgärtel mit Solitärbananen besprüht oder aus einem kleinteiligen Bananenraster aufbaut – er bleibt ein Verstörer. Er ist der Kabarettist der Hausmauern, dessen Brettl die Banane (-nschale) ist. Ausrutschen tun darauf freilich immer die anderen. Seine Vorgehensweise ist dabei immer schon eine konzeptuelle. Basis seines Tuns ist die Aneignung. Mit hintergründiger Heiterkeit nimmt er das Authentische ins Visier. Ein wesentlicher Aspekt der Übersprühungen ist die Echtheitsfrage. Nun wird insbesondere die Kunstgeschichte die Frage nach Original und Fälschung bis zum letzten Atemzug beschäftigen, der der Disziplin vergönnt ist. Zwischen den Polen Könnerschaft und Kopie scheiden sich die Geister. Das wesentliche Kriterium bei der Beurteilung und Wertschätzung eines Artefakts bleibt seine Echtheit und Originalität. Mit seinen Ready-mades begann indes Duchamp diese Überzeugung zu hintertreiben. Er katapultierte die Kunstwissenschaft in eine neue, bis dahin beispiellose Dimension, nötigte sie, Beurteilungskriterien zu überdenken. Auch der Bananensprayer verlässt den konservativen Weg. Thomas Baumgärtel kultiviert das Rebellentum im Sinne eines entgrenzten Kunstbegriffs. Der erste Schritt waren die Bananengraffitis an Museumsmauern und Kunstgalerien. Mit seinen Übersprühungen Alter Meister stellt er seine Arbeit nunmehr in den Traditionszusammenhang der Ready-mades und knüpft an Duchamp an. „Das erste ausdrücklich als Werk Duchamps publikgemachte Ready-made“(2) ist ja die Mona Lisa mit Kinnbart und Schnäuzer. Auch Baumgärtel bearbeitet historische Gemälde in einem ironisch aufbegehrenden Akt. Duchamps Mona Lisa darf als seine Referenzfigur gelten. Bezeichnet als „Dada-Bild von Marcel Duchamp“ erscheint die Königin der Kunstgeschichte 1920 auf dem Titel von Picabias Zeitschrift 391. „Da Duchamps Original nicht vorliegt, macht Picabia für diesen Zweck eine Replik, fügt aber nur den Schnäuzer hinzu und vergisst das Bärtchen.“(3) Interessant, dass die Arbeit von Duchamp den Status eines Originals konzediert bekommen kann. Keine Rolle spielt dafür, dass der Wegbereiter der Moderne von einer Postkartenreproduktion der Mona Lisa ausgegangen war. Durch einen minimalen Eingriff – den verfremdenden Bart – wurde aus dem reproduzierten Leonardo ein gefeierter Duchamp. Dass der Künstler mit seiner Mona Lisa einen künstlerischen Coup landen konnte, ist drei Umständen zu verdanken. Die Verfremdung ist aufsehenerregend, der ’Fälscher’ kein Niemand, die Zeit war reif für die Tat. Duchamp erweiterte den Wirkungsradius der Mona Lisa. Er machte sie zur Ikone des Dadaismus. Statt zu Barthaaren greift der Bananensprayer zu Bananen, statt zur Reproduktion zum Original. Eine subtile Form von Neodadaismus ist es, die Thomas Baumgärtel im Falle des Altmeisterzyklus praktiziert. Während der Dadaismus auf das harmonisch Schöne drosch und sich vom Wohnzimmerbild distanzierte, benutzt Baumgärtel das Wohnzimmerbild beharrlich, um das harmonisch Schöne zu befragen. Das Antibürgerliche und Satirische, das den Dadaismus kennzeichnete, prägt auch seine Übersprühungen. Indem er dem Wertlosen einen Wert verleiht, solidarisiert er sich zugleich mit dem Trivialen. Die behauptete Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen ist sein Garant für erhöhte Aufmerksamkeit. Ein Satz von Rodin – geäußert angesichts von Géricaults „Derby in Epsom“ – kommt bei der Betrachtung der Übersprühungen in den Sinn. „Das Gesamtbild ist in seiner Gleichzeitigkeit falsch; es ist aber richtig, wenn die einzelnen Bestandteile nacheinander betrachtet werden. Und es ist nur diese Wahrheit, die zählt, weil sie es ist, die wir sehen, und die uns ins Auge springt.“(4) Das Gesamtbild ist auch bei Baumgärtel in seiner Gleichzeitigkeit falsch, doch der moderne synthetisierende Blick macht mühelos eine Ganzheit aus – auch und gerade dann, wenn die einzelnen Bestandteile nicht nacheinander betrachtet werden. Rund 50 Übersprühungen sind inzwischen entstanden. Komische, aber auch melancholische Bearbeitungen von Kunstwerken, die sonst kaum noch jemand wahrgenommen hätte. Wie stets ist auch hier die Bananenspur, die Baumgärtel legt, Leitidee und Leitfaden. Anders als die Graffiti erregen jedoch die Übersprühungen bei empfindlichen Zeitgenossen keinen Zorn, sondern rufen eher ein leises Lächeln hervor. Thomas Baumgärtel produziert im Kontext dieser Sonderform seiner Bananenphilosophie Kitsch as Kunst can. Zivilisationsmüll verleiht er das Zertifikat der Zeitgenossenschaft. Vergessenes, Verdrängtes sowie Verlogenes wird zum Substrat für einen subjektiven Kunstbegriff, der Randständiges nobilitiert. Plötzlich erscheinen die alten Schinken brandneu. Sie wirken wie marktfrische Ware. Bananisiert erheben sie den Anspruch auf Ausstellbarkeit in seriösen Kunsträumen. Was beweist: Bananisierung ist ungleich Banalisierung, sondern das Gegenteil davon. Thomas Baumgärtel gelingen mit seinen krummen Dingern dialektische Rösselsprünge. Im Lexikon steht die Banane zwischen banal und Banause. Banal finden können Baumgärtels Bananen fürwahr nur Banausen. Und die Bananisierung geht weiter. „Heute stehen mir über hundert verschiedene Metamorphosen der Spraybanane als Motive zur Verfügung“, sagt Baumgärtel.(5) Man darf auch diesbezüglich vom planmäßigen Gestaltwandel mit verführerischer Zielrichtung sprechen.
Zitat aus bananensprayer.de

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